„Von Büchern und Menschen“
Heinz-Günter Beutler-Lotz im Heimatjahrbuch 2025
Heinz-Günter Beutler Lotz gehört seit vielen Jahren zum Leitungsteam des Buchantiquariats und ist Beiratsmitglied im Verein. Für das Heimatjahrbuch 2025 hat er sich sehr lesenswerte Gedanken zum Thema Ehrenamt und das Buchantiquariat im Besonderen gemacht.
Für Leser gibt es in Alzey in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kleinen Kirche und dem Modehaus Schöneberger ein Schmuckstück. Zweimal in der Woche signalisieren Fahnen und Aufsteller, Bücherleitern und Tische mit Kisten: Der Laden ist auf. Bücher aller Art warten auf neue Freunde: Kinder, Kochen, Krimi, Kunst, Sommerlektüre und Weltliteratur, Modernes und Altes, Gedichte und Biografien, Geschichte und Glück, Medizin und Musik, Regionales und Reisen, Englisch und Französisch, Religion und Philosophie, Technik und Wein usw. Das blaugestrichene Haus aus der Biedermeierzeit, das lange einen Friseur und seine Familie beherbergte, beherbergt ein von Ehrenamtlichen betriebenes Antiquariat.
Beweggründe
Ich bin ein Papiertiger. Das Büchermachen habe ich gelernt und dann das Arbeiten mit Menschen in Schule und Kirche studiert. Wie ich als Neubürger vor sechs Jahren auf das Bücherantiquariat des Alzeyer Altstadtvereins gestoßen bin, erinnere ich nicht. Es roch nach Entwicklungspotential und Gestaltungsmöglichkeiten; vor allem fanden sich damals zwei ähnliche denkende Zeitgenossen.
Eine Mitstreiterin möchte etwas Sinnvolles mitorganisieren und arbeitet nicht ohne guten Grund mit: „Weil es ein großartiges Team ist, bin ich gerne in die Arbeit eingestiegen. Man kann viel Lachen, und zwar im Haus und ebenso wie bei den Arbeiten im Lager. Die Gespräche mit den Buchliebhabern bereichern und es ist eine Freude, wenn die alten Bücher ein neues Leben erhalten. Ein unterhaltsames und nachhaltiges Projekt. Außerdem lese ist selbst gerne Krimis, meist ganze Reihen.“ (PT).
Eine andere kam als Kundin und blieb als Mitarbeiterin: „Ich lese von Kindesbeinen an bis heute. Selbst Bilderbücher, wenn die Illustrationen schön sind. Außerdem habe ich es gerne mit Menschen zu tun. Das Haus hat viel Flair, ein schönes Refugium für die alten und modernen Bücher, die schon einmal gelesen und geliebt wurden und jetzt als Schätzchen neue Leser und Besitzer suchen. Manche Bücher verfolgen einen. Einmal selbst gelesen, tauchen sie unter den Bücherspenden auf wie alte Bekannte. Wenn sie allerdings in Massen wie Wellen angespült werden, erschreckt es schon.“ (UlG).
Augen auf bei der Wahl des Ehrenamtes, warnt die Kollegin des Anfangs, denn es gibt keine gesetzlich geregelten Arbeitszeiten und keinen Urlaubsanspruch. Warum mache ich es trotzdem? antwortet sie: „Weil es mir und anderen guttut und Freude bereitet. Es ist großartig, wenn Kunden mit leuchtenden Augen durch das Haus wandern oder mit einem langen gesuchten Buch gehen. Auch außerhalb der Öffnungszeiten werden im Vorbeigehen in der Stadt mit den Kunden ein paar Worte gewechselt.“ (UrG).
Die Arbeit in unserem Bücherhaus verbreitet Glücksmomente: für Spender, die ihre Bücher in gute Hände abgeben, für unsere Kunden, die passende Bücher finden, für den Verein, der zeigt, was er kann, für die Stadt, die eine Kultureinrichtung mehr vorweisen kann.
Mittarbeit
Immer gibt es im Antiquariat und Lager und für beides etwas zu tun. Alle Bücher sind Spenden von freundlichen Zeitgenossen. Sie bringen sie in kleinen Portionen vorbei, aber gelegentlich lösen wir auch ganze Bibliotheken auf. Mit Blick auf unsere Kunden und Lagermöglichkeiten müssen wir allerdings auswählen. Manche Bücher finden schnell ein neues zuhause, andere müssen auf ihre Entdeckung warten. Wieder andere werden zu Schnäppchen der Büchermärkte. So oder so: jedes verkaufte Buch verringert die Kosten für die Bauunterhaltung und Bewirtschaftung des Projektes.
Ohne Teamarbeit ginge es nicht, denn zahlreich sind die Aufgaben: Bücher sind live entgegenzunehmen oder zu holen, müssen gesichtet und bewertet werden. Mit Preisen versehen landen sie in dem Regalen, andere dagegen werden mit vielen Angaben auf einer digitalen Verkaufsplattform eingegeben. Dort sind unsere Preise regelmäßig mit denen der anderen Verkäufer in Deutschland zu vergleichen und anzupassen. Was in die Ferne verkauft wird, muss gut verpackt auf den Weg gebracht werden. Im Bücherhaus gilt es den Bestand zu pflegen, angemessen zu präsentieren und zu dekorieren. Die Kunden freuen sich über Gespräch und Beratung. Wie der laufende Betrieb, sind auch Sonderaktionen zu planen, zu organisieren und die Kasse zu führen.
Wir beiden Leitungsmenschen sind meist immer da, die anderen Mitarbeiter haben ihre bevorzugten Tage und Einsatzorte. Manche machen alles. Einige kommen zu bestimmtem Anlassen oder als Ersatz und nehmen an der Kasse Platz oder wirken mit. Jemand wäscht die Vorhänge. Ein Vorstandsmitglied macht die PR.
Masse und Klasse hat unser ehrenamtlich betriebenes Antiquariat. 6000 oder mehr Bücher Büchern bevölkern die 9 Zimmer des Hauses und die Flure. Überall laden Regale zum Stöbern und Sitzmöbel zum Verweilen ein. Wer zum ersten Mal da ist, bekommt große Augen. Für Stammkunden suchen wir auch gerne noch in der dreifachen Büchermenge unseres Lagers. Es ist unser Sorgenkind, denn wir brauchen dringend neue Lagermöglichkeiten in der Stadt,
Projekt
Unser Antiquariat ist ein Baby des Altstadtvereins. Als ab 1970 auch in Alzey Pläne aufkamen, die Altstadt durch neue Straßen und Gebäude umzugestalten, erhoben sich Bürgerproteste um einen Mediziner, aus denen sich der Altstadtverein zu einer gemeinnützigen Denkmalpflegeorganisation entwickelte. Sichtbar in der Stadt sind die Brunnen und Denkmäler, Stolpersteine und der historische Stadtrundgang. „Die unglaubliche(n) Geschichte(n) des Altstadtvereins Alzey“ von 1976 bis 2017 dokumentierte Wulf Kleinknecht. Unzählig erscheinen die vielen Finanzierungsprojekten: ob Christkindlsmarkt oder Weinbergwanderungen (ab 1989), ob Büchermärkte (ab 1996), die Vermietung des historischen Altstadthauses für Feiern (seit 2004) oder unser Bücherantiquariat (seit 2008).
Vor dem Abriss gerettet und mit Hilfe vieler fleißiger Hände und Spender restauriert, eröffnete das Bücherhaus 2008 seine Türen. Viele freiwillige „“ sorgten für das Sortieren und Auspreisen, andere für das Einstellen und Verkaufen. Nach 10 Jahren wechselte mit der Leitung auch Gestaltung und Organisation. Inzwischen sind längere Öffnungs- und Sonderöffnungszeiten und der Verkauf im Internet ebenso Standard wie die Präsentation auf einer Homepage und in sozialen Medien. Ohne das ehrenamtliche Engagement und den Verein als Träger gäbe es das Antiquariat als Erfolgsgeschichte nicht. Ein Glück – auch für die Stadt.